DER LEISE MEILENSTEIN Ein Sommertag im Juni 1961, New Yorks Village Vanguard: Bill Evans, Scott LaFaro und Paul Motian betreten die kleine Bühne – und erschaffen Musik, die bleibt. Aus diesen Konzerten entstanden zwei Alben, die Jazzgeschichte schrieben: Sunday at the Village Vanguard und Waltz for Debby. Letzteres, benannt nach Evans’ Nichte, gilt als eine der zartesten und zugleich ergreifendsten Aufnahmen des Genres. Evans, 1929 in Plainfield, New Jersey geboren, war ein stiller Revolutionär. Klassisch geschult, beeinflusst von Debussy und Ravel, brachte er eine neue Lyrik in den Jazz. Seine linke Hand schuf schwebende Voicings, seine rechte sang Melodien, die eher gesprochen als gespielt wirkten. Berühmt wurde er 1959 als Pianist von Miles Davis’ Kind of Blue – doch sein Herz schlug für das Trio, in dem Musik zum Gespräch werden konnte. Mit LaFaro und Motian fand er Partner, die das Format neu definierten. Der Bass sang, die Drums malten, Evans ließ Raum, und gemeinsam ließen sie die Musik schweben. Waltz for Debby fängt diese Magie ein – intim, verletzlich, begleitet vom Klingen der Gläser und dem Raunen des Raums. Evans wollte die Atmosphäre nicht glätten, sondern den Hörer mitten in den Moment versetzen. Zehn Tage später verunglückte LaFaro tödlich. Evans war am Boden zerstört, verstummte monatelang. Das Trio sollte nie wieder zusammenspielen. So wurde Waltz for Debby zur elegischen Abschiedsgeste – an einen Freund, an eine Klangsprache, die gerade erst begonnen hatte zu blühen. Evans nahm weiter auf, blieb einflussreich und verehrt. Doch die Reinheit und Intimität dieses Albums blieben einzigartig. Kritiker priesen es als „Meilenstein der Trio-Kunst“. Für Hörer bis heute klingt es wie ein handgeschriebener Brief – leise, ehrlich, zeitlos. |